Freitag, Dezember 16, 2005

Ich weiß nicht, was ich über mich denken soll

Guter und sogar ausgeschlafener Tagesstart, gefolgt von Müllauto bedingtem Stau und morgendlichem Radio-mitgesinge zu Holger Bieges "Als der Regen niederging": Hochstimmung kann auch durch 90 Minuten Chemie nicht getrübt werden.
Dann zwei Stunden Latein neben einem frierenden, meine Hand umklammernden Mädchen, das aussieht, als hätte ihr Schlafdefizit längst die Schmerzgrenze überschritten und das unentwegt jammert: Ich halte mit blendendem Ptimismus dagegen, schließlich will ich den Tag weiterhin auf dem Stimmungslevel halten.
90 Minuten Musik. Das Mädchen immer noch neben mir, ich aber bei weitem nicht mehr so nörgel-resistent, wie zuvor. Außerdem gehen draußen Sturmfluten nieder und ich muss drinnen hocken, wo das Mädchen schon lange nicht mehr meine Hand hält, weil es zu beschäftigt ist, mir vor Augen zu führen, wie minderbemittelt unser Musikkurs ist: Meine Stimmung färbt sich langsam aber unausweichlich himmelgrau.
Kurzes Gespräch mit Frau Prusseit über IQ-Werte, Hochbegabung, Neurosen und Andersartigkeit: Tapetenwechsel für meine geistige Verfassung, die Stimmung tritt in den Hintergrund.
Schulhof. Friedemann und ich werden uns American Beauty Zitate zu und sehen die Plastiktüten tanzen, während der Wind in unseren Haaren spielt: Ich fühle mich total eins mit der Welt, der Sommer im Herzen bleibt.
Das kleine Mädchen leistet uns nun wieder Gesellschaft, allerdings muss Friedemann aufbrechen. Ich blicke ihm ein wenig enttäuscht nach, schließlich waren diese drei Minuten gerade der Inbegriff von Perfektion, doch noch bevor ich das zu Ende gedacht habe, schnappt das Mädchen seine Tasche und lässt mich ohne einen Laut stehen: Unkontrolliertes Reißen in der Herzebene, weiß nicht woher das kommt, aber die Tränen fallen einfach in den Wind.
Nach 25 Minuten freiem Öffentlichkeits-Weinen: Beunruhigt über meine Gefühle, stolz auf jede Träne, hochgradig deprimiert: Merke: Weinen macht nicht fröhlich.
Den Blick immer noch verwischt, aber die Tränenspuren beseitigt betrete ich das Schulgebäude, wo wieder das kleine Mädchen rumsitzt, ich stelle mich zu ihr und keine 10 Sekunden später bekommt sie eine SMS, noch während sie darauf antwortet betritt Dennis die Szene. Leider kann ich nicht mit ihm reden. Ich hasse meine Stimme, wenn ich geweint habe. Auf seine Nachfrage nach meiner psychischen Verfassung kommt nur ein lapidares "mit mir redet sie ja auch nicht.": HALLO?! DU bist weggegangen, ohne etwas zu sagen, wir haben uns vielleicht gerade 2 Minuten angeschwiegen! Ich rede nicht mit dir?! Ach fick dich doch! : Ich fühle mich ungerecht behandelt und ziehe es weiterhin vor zu schweigen, bevor ich noch ernsthaft Streit vom Zaun breche.
Noch mehr Leute, die krampfhaft versuchen, mich anzusprechen: Ich bin kurz davor um mich zu schlagen oder wieder zu weinen und bin heilfroh, dass ich es schaffe, das stoische Schweigen bei zu behalten.
Endlich allein. Jetzt endlich mal nach Hause. Vorher aber noch in die Buchhandlung. Auf dem Weg Dennis und Tobi sehen und 50 Meter weiter bemerken, dass ich Friedemann und Caro offensichtlich ignoriert habe. Buch bestellen und ab zum Bus, wo mir Anna, Anita und Franzi entgegenkommen, die mich erneut in die Stadt schleifen: Es kann nur besser werden, oder?
Stimme funktioniert wieder halbwegs. Wir sind seit 1,5 h unterwegs und hören nun auf dem Weihnachtsmarkt gar keine Weihnachtsmusik, sondern tatsächlich Rosenstolz: Seelisch wieder im grünen Bereich.
Nach Hause mit Franzi, die sich fragt, ob sie schuld ist, dass sie nichts mehr mit Sophie zusammen macht und sie ihr nichts mehr erzählt, mit Franzi, die sich immer fühlt, als würde Sophie ihr nicht richtig zuhören: Weine schon wieder fast, weil Franzi so denkt, bin ein bisschen enttäuscht von dem kleinen Mädchen, dass oft so schlecht zuhören kann, aber bevor ich mich entscheiden kann, wechseln wir das Thema.
17:30Uhr--> Zuhause. Mama schreit rum, weil ich nicht angerufen habe, Essen ist kalt: Ich bin ein schlechter Mensch.
Spielen mit meinem kleinen Bruder im Wohnzimmer, ich bin mal wieder "Anni Badanni": Im Grunde ist die Welt nicht so wichtig, oder?
22:00Uhr--> Rückblick auf das Nachglühen des Sommers bringt ein neues Lied und Kettar geht wieder: Ich bin schwerelos.

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