Beim Unikram sind deutliche Fortschritte festzustellen, wenn auch vielleicht nicht ganz so deutlich, wie ich mir das wünsche. Cato ist fertig. Penelope Lively so gut wie durch. Caesar angefangen. Britische Geschichte auch. Jetzt muss ich mich nur noch der verehrten Frau Austen widmen...
Gestern Abend. Ich hatte gerade mit dem ersten Kapitel Caesar abgeschlossen und ein bisschen im O'Driscoll gelesen, als Christian anrief, der in der Stadt war und sich mit Hendrik, Manu und mir auf nen Kaffee oder ein Bier treffen wollte. Also bin ich los in die Stadt, Christian und Hendrik ein Frohes neues Jahr wünschend, ohne daran zu denken, dass wir dieses ja höchst gemeinsam begrüßten(Ich sags euch, diese alten Sprachen kosten Hirnzellen!). Um 23 Uhr, nachdem wir die beiden anderen ins Kino entlassen hatten, mit Manu zur Bahn gelaufen, der dann Richtung Julia fuhr. Ich machte mich also regelrecht beschwingt zum Wohnheim auf und wollte dort meine Theorie - dass die Tür nicht richtig schließt und jederzeit von außen geöffnet werden kann - bestätigen...
Aber dann kam alles ganz anders.
Als ich nämlich die Stufen zur Tür erklomm, sah ich jemanden bei den Briefkästen stehen, was mich irgendwie davon abhielt, das übliche Zeremoniell des Schlüsselkarteeinsteckens unter den Tisch fallen zu lassen. Als ich dann in das anheimelnde Neonlicht des Wohnheims trat, erkannte ich den jungen Mann vor den Briefkästen auch. Er war zur gleichen Zeit eingezogen wie ich, wir sahen uns gelegentlich im Treppenhaus oder wenn ich durch Grünau spazierte und er - wahrscheinlich ganz seinem Sportstudium entsprechend - an mir vorbeijoggte. Er fragte mich jedenfalls, ob ich was über die aufgebrochenen Briefkästen wisse und da sah ich auch, dass er mehrere amtlichaussehende zerrupfte Briefe und eine arg mitgenommene Weihnachtskarte in der Hand hielt, außerdem baumelte uns die Tür seines Postfachs schon bedenklich entgegen.
Wir unterhielten uns kurz über das Problem, von dem ich ja auch betroffen war, ich gab meine Türtheorie zum Besten und er sagte etwas vages von Umzugsplänen. Seltsam war das. Wie wir uns über Monate hier und da über den Weg laufen(wenn ichs mir recht überlege, war er auch im Studentenwerk als wir Manus Bafögantrag wegbrachten) und mal ein flüchtig hingeworfenes "Hallo" tauschen und uns dann in 2 Sätzen plötzlich doch bekannt sind. Unbewusst hatte ich mit diesem Menschen meinen Studienbeginn geteilt. Als ich mir zum ersten Mal die Wohnung anschaute, traf ich ihn an der Eingangstür, dann sah ich ihn bei der Immatrikulationsfeier, ein wenig später als ich auf die Bahn wartete, im November irgendwo in Lausen beim Joggen... und weil mir das in den 15 Sekunden Fahrstuhlfahrt nach diesem kurzen Gespräch plötzlich bewusst wurde, hab ich ihm heute ein Zettelchen in den ramponierten Briefkasten gesteckt. Und ihm viel Glück bei der Wohnungssuche gewünscht.
Auch noch seltsam: Heute ja kurzer Kaffeeausflug und da ist mir doch in der Bahn jemand begegnet. Den ich nicht auf Anhieb einordnen konnte. Zuerst durchforstete ich den Jahrgang, der in der Schule unter mir war, stoß aber nicht auf das gesuchte Gesicht - das in der Zwischenzeit schon wieder irgendwohin enteilt war -, dann ging ich meine Englischseminare durch, aber auch dort war sie nicht zu finden, ich resignierte also bereits und widmete mich wieder meinem Hörbuch, als es plötzlich - meiner Ansicht nach für alle Umstehenden hörbar - "Klick" machte: Latein! Latein! Daran hatte ich echt nicht gedacht. Stellt sich also heraus, das Mädel sitzt mit mir in Latein und ist eine von denen, die Dienstags immer früher gehen...
Da war ich nun wieder vollauf zufrieden mit meinen geistigen Fähigkeiten. Zumindest eine Weile. Bis ich den obengenannten Zettel unterschreiben will... Ich hab meinen Namen vergessen! Ich sitze 2 Minuten lang so da und starre auf das Blatt und bin so entgeistert, dass ich das vergessen kann, dass mir gar nicht die Idee kommt, vielleicht auf meinen Ausweis zu schauen. Muss ich auch nicht. Denn nach 2 Minuten ungeschönter Ahnungslosigkeit kommt auch der zurück(ich sag ja, diese alten Sprachen...). Sachen gibts!
Und das, obwohl ich doch letztens erst meine Bruderliebe dadurch zum Ausdruck brachte, dass ich rohen Fisch mit Mango aß - ja, mein Brüderchen hatte Sushi gemacht! Was ich erstmal immer vorbehaltlos toll finde. Es gibt nur ein paar kleine Probleme: Seetang, Meerrettich und Fisch. Wobei ich bereit bin über ersteres und letzteres hinwegzusehen und mittleres auszusparen. Ich zeigte jedenfalls guten Willen und ermunterte meinen Bruder weiterhin auf Entdeckungsreise in Fungs Küche zu gehen - ich bin immer begeistert, wenn jemand anderes kocht!
Sonst so? Ich hab mich schon wieder verdächtig lange hier aufgehalten, werde jetzt noch ein bisschen für Englisch lesen und mich auf morgen freuen: Menschen, die alle einen an der Klatsche haben! Yeeha!
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