Sonntag, Januar 12, 2014

Bahnsteige. -- Deutschland ist ein Gefuehl.

Solang es Bahnsteige gibt und goldglænzende Weizenfelder, solange da auf der Buehne jemand steht neben dem Cello ganz ohne erste Geige, solange es Bushaltestellen gibt, an denen ahnungsvoll gewartet wird, und eine Hand, die in meine passt, als wære sie nur dafuer ausgedacht; solange Flugzeuge ueber den Himmel blinken, einem Sehnsuchtsort entgegen; Solange Finger an beschlagene Scheiben malen und die klirrend kalte Januarluft in meinen Lungen brennt, als waere auch in meinem Herzen Feuer, solange kann man - muss man! - von diesen Menschen singen, die Mærchennamen tragen oder Martin heissen, und die da stehen, auf dem Bahnsteig, und fuer die wir aufstehen auch an Tagen, an denen unser Zug noch lange nicht kommt. Ein Leben, das man nicht verschwenden kann, ist keins. Ein Leben, in dem man nicht einen ganzen Tag verspielen kann mit einer Gitarre und einem Liebeslied fuer jemanden, den man eigentlich gar nicht kennt... was ist das fuer ein Leben?
Die Unordnung tuermt sich in unseren Zimmern, weil Winter ist und wir das Meiste, was wir sind, hier drin sein muessen. Ich raeum samstags auf und am Sonntag sieht es wieder genauso aus. Und ich stell mir vor, bei meinen Schuhen unterm Bett laege auch ein paar von deinen und erzaehlte von schlitternden Schritten, mitgewippten Konzerten, einem Kuechentanz vielleicht. Ich will dir gestehen, dass Sex vielleicht nicht immer Liebe ist, aber so wie dein Koerper im Mondlicht leuchtet, koennte es doch Liebe sein. Doch um Sex soll es gar nicht gehen erstmal. Ich will dir die Schuhe binden und fragen, ob wir heilig sind. Und alle Muenzen, die wir finden, werfen wir in die Luft - denn fuer den Moment ist es egal, ob wir es wirklich fuer einander sind. Allein, dass wir es erwaegen, reicht mir.


Deutschland ist eben auch ein Gefuehl. Ein Zimmer, in dem man etwas verloren hat, das man nicht panisch suchen muss. Denn es kommt ja nichts weg. Es ist diese Ernsthaftigkeit, ohne die Pathos immer Parodie bleiben muss. Du lachst. Entvoelkerte Landstriche, weil wir uns nach der Stadt sehnen. Wir pendeln zwischen Atem und Puls. Weil wir beides brauchen, weil wir letzten Endes vielleicht sogar die Altmark retten koennen, weil wir diese beiden Pole aus Aufstieg und Verfall lieben. Wir tragen Angst in unserem Blick - vielleicht wird es nie wieder so schoen! Deutschland - du lachst! Es ist nicht dein Land. Oder nicht schon immer gewesen. Und ich sitze in Norwegen in der Pampa und sage "wir" und meine weder dich noch mich. Es gehoert mir. Dieses wir. Und meint zwei, die sind wie ich gern waere. Deutschland gehoert mir. Wie dein Mund, wenn du Sonnenbrille traegst. Es ist ein Gefuehl. Als koennte man etwas oder jemanden erreichen. Egal ob man nun zu Fuss geht, oder das naechste Auto aufbricht. Keine Zeit fuers Paradies. Es gibt so viel zu tun.

Mittwoch, Januar 01, 2014

2014. Willen braucht man. Und eine gewisse Grundspannung.

Ich durfte so vieles nicht vermissen in den letzten Jahren. Da waren so viele Städte, die nicht auf mich warten, so viele Straßen, die nicht meine sind, so viele Häuser, die mir nicht Zuhause werden durften. Ich hakte ab und nickte "nur nach vorn" und vergaß. Wie es ist sich zu sehnen. Nach dem Brennen in der Brust beim Anblick einer Skyline, nach vertrautem Stadtstaubgeruch, nach der Illusion des Angekommenseins. Ich verbot mir, eine Schatzstadt zu wählen und warf die alte weg, wie ein leeres Glas Erdnussbutter.
Aber vielleicht braucht es dieses Brennen, dieses Ziehen, dieses Sehnen.
Wir sind auf der Autobahn irgendwo auf dem Weg von Dresden zurück nach Hause, als es passiert. Aus den Lautsprechern tönt ein Album, dass mir mein Bruder ans Herz legen will und er springt direkt zu seinen Lieblingsliedern. Wir reden von dem Vorgängeralbum, von Weihnachten, von Musik, die wir tauschen wollen und ich höre nur mit halbem Ohr auf die Musik im Hintergrund, bis mich plötzlich ein Satz trifft wie ein Schlag in den Nacken. Mitten im Gespräch muss ich innehalten, den Blick angestrengt nach draußen wenden, weil mir unvermittelt die Tränen in die Augen schießen. Da singt ein Mann, erst nur von einem Gefühl, doch schließlich von einer Stadt - und es zieht mich dorthin! Und ich lass es zu. Ich weiß nicht, wie viele Dinge ich noch verlieren kann. Lieber werf ich mich in das Brennen, das da aufbricht. Vielleicht lässt sich so eine gewisse innere Grundspannung wieder aufbauen...