Mittwoch, Januar 26, 2011
Und Handschuhe aus Licht
Zur Uni: Das Lesepensum ist sportlich, die Vorlesungen dafür aber lächerlich kurz. 60 Minuten. Und es wird immer c.t. angefangen also eigentlich nur 50 Minuten. Dafür bin ich eigentlich gar nicht bereit 20 Minuten in die Stadt zu laufen. Aber seis drum, die machen das hier eben so. Dafür ist mein Seminar über englischsprachige Walisische Literatur dann gleich mal 2 Stunden lang und das heißt für jeden der 6 Seminarteilnehmer gibt es 20 Minuten Redezeit. Erfrischend, gerade dann, wenn man sich in Walisischer Geschichte und Kultur so meisterhaft auskennt, wie ich *ironieaus*. Beschweren will ich mich trotzdem nicht. Ich hab mir ja die Seminare so gewählt, damit ich schön viel lesen kann. Übrigens nicht nur englische Literatur, nein, auch Schnitzlers "Professor Bernhardi" und Schlinks "Vorleser" werden dabei sein. Ich bin schon ganz gespannt, ob ich dieses Mal einen Draht zu Schlink finde.
So. Ich wollt ja noch ein bisschen dies und das erzählen neulich. Erst zur Wohnsituation. Das Wohnheim ist nicht schlecht, aber auch nicht gerade ein Luxusschuppen. Im Bad gibt es 3 Duschen und eine Badewanne und ich durfte bereits feststellen, dass die Briten offenbar ein perfides Vergnügen daran haben, die verschiedensten Funktionsmechanismen an Badarmaturen zu entwerfen. Alle 3 Duschen müssen unterschiedlich bedient werden. Mit der Wanne hab ich nix zu schaffen, die wirkt auch nicht so sauber. Ausnehmend schmutzig hingegen ist die Küche. Hier wird mindestens einmal die Woche sauber gemacht und danach sieht es immer einen halben Tag lang gut aus und dann stellt sich irgendwer was in die Mikrowelle (denn das bedeutet hier offensichtlich kochen ;)) und schon sind wieder überall Krümel, undefinierbare Flüssigkeiten, klebrige Stellen, dreckiges Geschirr... Eben alles sehr wohnheimtypisch. Ich bin immer noch dabei mir ein Fach in den 2 Kühlschränken zu erkämpfen, die wir uns zu siebent teilen. Das klingt erstmal nach viel Platz, wenn man aber bedenkt, dass hier offensichtlich jeder Stundent einen 750g Becher Margarine lagert, den er wahrscheinlich niemals alleine aufbrauchen wird, sind 2 Kühlschränke zu wenig. Wozu man hier Margarine braucht, weiß ich aber ohnehin nicht, Brot essen die Studenten hier nämlich offensichtlich genau so wenig wie ich. Aber auch die 2kg-Beutel Haferflocken finden nicht den Weg in ihre Küchenschränke, nur die zwei Gefrierschränke sehen aus, als wollten sie ein Tiefkühlpizzageschäft eröffnen.
Fein. Jetzt hab ich noch eine Minute. Und werde etwas über Frauen ohne Internet erzählen. Nur noch 30 Sekunden. Das Internet lassen wir weg. Also: Ich trat auf Bangors Straßen, zum ersten Mal allein und ziemlich orientierungslos und da stand sie mit roten Handschuhen und der gleichen Karte in den Fingern und wir sagten: "Hi! - Visiting student? - Where are you from?" und da war es im Grunde vorbei, war alles gelaufen und nun schlägt mein Herz schneller, wenn ich an rote Handschuhe denke. So viel in Kürze.
Montag, Januar 24, 2011
"Du bist doch lesbisch, oder?"
Erst eine Woche hier. Das ist schwer zu glauben. Wir waren viel unterwegs. In der Stadt, in Pubs und Clubs, in der Umgebung, in der Uni - immer gibt es irgendwas zu sehen, immer eine Party oder irgendwas in der Art. Gestern war Karaoke im Partick's, am Samstag End of Exams Party in der Bar Uno und anschließend fröhliches abspacken im Rascals, das im oberen Stockwerk sehr gaylastig ist, am Freitag war Undergrad Party im Octagon, Donnerstag Abendbier im Patrick's, Mittwoch Dinner im Fat Cat und Dienstag war der bewusste Kennenlernabend. Es ist also abends immer was los. Aber auch tagsüber sind wir bisher immer recht beschäftigt gewesen. Ein Ausflug über die Brücke nach Menai, ein Spaziergang an der Küste, Teetreffen in den Halls... es nimmt kein Ende. Viele sind müde abends oder müssen auch mal aufs Geld schauen oder wollen schlicht mal alleine sein, aber sie sind trotzdem dabei, sie wissen, dass man Erstwochenerlebnisse nicht irgendwann später nachholen kann. Gespart und geschlafen werden muss später. Vorerst ist alles einfach nur jetzt.
Ich habe gerade meine erste Vorlesung hinter mir und kann mich noch nicht so recht mit dem 60-Minuten-Konzept anfreunden, aber das wird wohl auch noch werden. Sonst ist erfreulicherweise festzustellen, dass ich alle meine Veranstaltungen im gleichen Gebäude habe und nachdem ich es heute gefunden habe, muss ich wohl vorerst keine Räume mehr suchen. Und dast ist definitiv ein Vorteil, denn vom Schilderwald ist hier nichts zu sehen, zwar sind alle ganz freundlich und hilfsbereit, wenn man sie fragt, wenn aber niemand da ist, hat man Pech.
Ich würd gern noch dies und das erzählen, von hübschen Frauen ohne Internet und chaotischen Küchen... vielleicht später, vielleicht heute Abend. Jetzt muss ich grade mal ein bisschen Schlaf nachholen.
Mittwoch, Januar 19, 2011
Und unter deinen Schwingen rauscht das Meer
Gestern war das Welcome meeting, wo die wichtigsten Informationen verteilt wurden und ich auch Antonia aus Leipzig wiedersah, die ich hier schon gar nicht mehr erwartet hatte, da sie per Mail nicht so richtig erreichbar war. Auch ein paar andere aus Deutschland waren da - aus Berlin, aus Mainz, aus irgendwo in BaWue und sonst vor allem Amerikaner, Italiener, aber auch Finnen, Spanier, Oesterreicher, Luxemburger, Franzosen, Kreolen, Polen - eine bunte Mischung. Nach dem Papierkram folgte direkt noch mehr Papierkram und am fruehen Nachmittag hatte ich auch schon 2 Module, einen Studentenausweis und Internet - kurz im Wohnheim die Fuesse hochgelegt und dann auf in die Bar Uno zum Kennenlernabend. Gluecklicherweise ohne Kennenlernspiele, dafuer aber mit kostenlosem Essen. Gegen 9 ist unser Tisch (Spanien, Polen, Finnland, Oesterreich, Deutschland) den Amerikanern ins Rascals gefolgt auf eine Wodka-Cola und ein Billarspiel. Als stark dezimierte Gruppe - nur die trinkfesten Finnen und Deutschen - schauten wir dann noch ins Patrick's, wo die Drinks billiger waren und schliesslich gingen wir - nunmehr zu viert - auf ein letztes Bier zurueck ins Rascals und unterhielten uns noch ein bisschen mit den Amerikanern.
Der anschliessende Spaziergang zum Wohnheim (15-20min zu Fuss vom Zentrum) verging mit Thea und Viljo wie im Flug - dabei hatte ich schon befuerchtet, alleine gehen zu muessen, nachdem sich Jesus und Patrizia, die wie ich in Arfon wohnen, sich bereits halb elf auf den Heimweg machten. Ich habe naemlich hier noch keine Musik dabei, sondern bin ganz Ohr fuer diese Stadt.
Shoppingmaessig bin ich in 3 Tagen schon ziemlich herumgekommen: Morrison's, Iceland, Aldi, M&S... wobei Iceland vor allem Tiefkuehlprodukte verkauft, was ziemlich cool ist, Aldi sich bis auf ein wirklich gutes und grosses Bierangebot sich nicht sehr vom deutschen Aldi abhebt und Morrison's preislich okay ist. Da gehen hier anscheinend alle einkaufen, denn staendig sehe ich Leute mit diesen Tueten... Mir persoenlich waere eine Mischung aus Iceland und Aldi am liebsten, aber Morrison's ist einfach naeher gelegen - einkaufen muss ich wahrscheinlich trotzdem jeden zweiten Tag, denn die Strecke ist zu weit und zu huegelig um grossartig was mitzunehmen.
Bangor steht mehr oder weniger unter dem Motto "Training am Berg". Das bietet zwar einerseits tolle Moeglichkeiten zum Konditionstraining, andererseits hat der morgendliche Weg in die Stadt auf den reifueberzogenen Strassen immer ein wenig Abfahrtsflair - und Wintersport is ja nun nicht so meins.
Die permanente Feuchtigkeit, die sich ueber Nacht in Reif verwandelt, kommt vom Meer - wo man hinblickt, ueberall ist Wasser: entweder der Menai Strait oder das Meer. Und so riecht es in Bangor auch: nach viel, viel Wasser und damit auch irgendwie nach Sommer. Danach sieht auch das lange Pier aus, auf dem wir heute waren, ueber uns die Moewen und unter uns das Wellenrauschen.
Es ist das uebliche Phaenomen: Die Neuheit von allem laesst die Tage irgendwie zu Wochen werden, immer ist man unterwegs, hat man zu tun, muss man auf etwas warten, immer ist man hellwach, immer todmuede.
Freitag, Januar 14, 2011
Adieu, Leipzig!
Es geht los, Freunde. Die Koffer noch ungepackt, die Flugtickets noch nicht ausgedruckt, geht es schon los. Die Wohnung ist aus meiner Verantwortung wieder in die des Vermieters übergeben, die Alkoholreste sind vernichtet, die Reisewünsche empfangen und die Leipziger allesamt verabschiedet. Es kann losgehen. Na ja, zumindest fast. Ein bisschen organisatorische Vorarbeit ist noch zu leisten, aber meine Schultern haben die Last des vorhernochschnell abgeworfen und das Gefühl beim Blick aus dem Zugfenster, hinter dem Leipzig langsam in die Ferne rückt, ist ein gutes, ein leichtes, mehr so wie ich mir das mal vorgestellt habe.
Einer detailreichen Dokumentation der Reise steht nichts im Weg: 4 Reisetagebücher, ein Blog und eine Digitalkamera stehen bereit, um eine ganze Menge Eindrücke einzufangen. Dabei schreibe ich für niemanden, schreibe ich für alle, ist nichts geheim, aber alles meins, kann ich nicht sagen, was miterlebt werden soll und was nur zwischen mir und Papier existiert. Ich werde schreiben, was da ist und was fehlt, werde an euch denken und Leipzig aus der Hand geben für dieses halbe Jahr und ich werde das tun, was ich so liebe: Ein Name sein und ein Woher und das Wohin und das Dahinter erst werden und selbst neu entdecken.